GEDENKTAFEL FÜR DIE GEFALLENEN IN DEUTSCH-SÜDWESTAFRIKA

Am 8. Januar 1911 wurde in der Neuen Garnisonkirche am Goetheplatz eine Gedenktafel eingeweiht. Diese gedachte der hannoverschen Soldaten, die während des Kolonialkrieges in Deutsch-Südwestafrika gefallen waren oder vermisst wurden.1 Bei der Neuen Garnisonkirche handelte es sich um eine vom renommierten hannoverschen Architekten Christoph Hehl entworfene und ausschließlich Soldaten vorbehaltene Militärkirche, die zwischen 1892 und 1896 errichtet wurde und die zentrale Gefallenengedenkstätte Hannovers darstellte.2

Die Militärseelsorge war im Kaiserreich eine durch und durch nationalistische Einrichtung. So beschrieb Militäroberpfarrer Heinrich Rocholl als Aufgaben der Garnisonkirche bei ihrer Grundsteinlegung am 5. April 1892:

"Hier soll der deutsche Soldat den Fahneneid schwören, das Manneswort der Treue bis in den Tod für unseren teuren Kaiser und König; hier soll ihn die Glut der Vaterlandsliebe erfassen, zu leben und zu sterben für die Ehre und das Heil des deutschen Volkes; hier soll die Begeisterung ihn überkommen, nie müde zu werden, um zu arbeiten an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung."3 

Die Gedenktafel für die Gefallenen in Deutsch-Südwestafrika gilt als vermisst,4 und es gibt lediglich eine veröffentlichte Aufnahme.5 Diese zeigt eine etwa 1,50 Meter hohe und 1 Meter breite Tafel, angebracht an einer Säule und verziert mit einem Reichsadler. Die Inschriften sind auf dem Bild nicht zu entziffern. Intention der hannoverschen Tafel war sicherlich ähnlich wie bei anderen Beispielen solcher Gedenktafeln, zum Beispiel der im Hamburger Michel, nicht allein an die Gefallenen zu erinnern, sondern die Symbolik sollte den Tod der Soldaten auch mit dem kolonialen Bestreben des Deutschen Reiches verbinden. Hierzu trug neben dem abgebildeten Reichsadler auch der Standort der Kirche bei. Zur Zeit des Nationalsozialismus dienten solche Erinnerungsorte als Symbol, "in denen sich die Forderung nach Rückgabe des ‚geraubten deutschen Kolonialreiches' manifestierte."6 Dahingehend sollte die politische und ideelle Bedeutung solcher Denkmäler – und insbesondere der Kriegerdenkmäler – nicht unterschätzt werden, trugen und tragen sie doch zur Mythologisierung bei und dienen in diesem Kontext der Systemstabilisierung und der Meinungslenkung.7

Nach dem Zweiten Weltkrieg, den die Kirche nahezu unbeschadet überstanden hatte, wurde sie und mit ihr die Gedenktafel Ende 1959 als nicht mehr zeitgemäßes und zudem nicht länger benötigtes Gebäude gegen erhebliche Widerstände aus der Bevölkerung abgerissen.8 Als einziges Kolonialkriegerdenkmal Hannovers ist die Gedenktafel von besonderer Bedeutung. Bei den drei übrigen hannoverschen Kolonialdenkmälern handelte es sich um Personendenkmäler, wovon heute nur die Denkmäler für Carl Peters in der Südstadt (am heutigen Bertha-von Suttner-Platz), das Ehrengrab für Carl Peters und das Denkmal für Alfred von Waldersee in der Hohenzollernstraße erhalten sind.

von Felix Schürmann

Dieser Text entstand in den Jahren 2003/2004 und wurde im Zuge der Neugestaltung der Webseite 2021/2022 leicht überarbeitet.


1 Schneider, Gerhard: "...nicht umsonst gefallen"?. Kriegerdenkmäler und Kriegstotenkult in Hannover. In: Hannoversche Geschichtsblätter - Sonderband. Hannover: Hahnsche, 1991, S. S. 102.
2 Otte, Hans: Die hannoversche Garnisonkirche 1896-1959: Aufbau und Zerstörung eines Symbols. In: Karljosef Kreter und Gerhard Schneider (Hrsg.): Stadt und Überlieferung. Festschrift für Klaus Mlynek. Hannover: Hahnsche, 1999. S. 247-268
und Schneider 1991, S. 99ff.
Zitiert nach: Otte 1999, S. 255.
4 Zeller, Joachim: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur. Frankfurt a. M.: IKO - Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 2000, S. 310.
5 Veröffentlicht in: Otte 1999, S. 253.
6 Zeller, Joachim: Symbolische Politik. Anmerkungen zur kolonialdeutschen Erinnerungskultur. In: Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller (Hrsg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen. Berlin: Ch. Links, 2003. S. 196.
7 Zeller 2000, S. 28-31.
8 Schneider 1991, S. 263ff.


Quellen und Links

Printquellen:

Schneider, Gerhard: "...nicht umsonst gefallen"?. Kriegerdenkmäler und Kriegstotenkult in Hannover. In: Hannoversche Geschichtsblätter - Sonderband. Hannover: Hahnsche, 1991.

Otte, Hans: Die hannoversche Garnisonkirche 1896-1959: Aufbau und Zerstörung eines Symbols. In: Karljosef Kreter und Gerhard Schneider (Hrsg.): Stadt und Überlieferung. Festschrift für Klaus Mlynek. Hannover: Hahnsche, 1999. S. 247-268.

Zeller, Joachim: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur. Frankfurt a. M.: IKO - Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 2000.

Zeller, Joachim: Symbolische Politik. Anmerkungen zur kolonialdeutschen Erinnerungskultur. In: Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller (Hrsg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen. Berlin: Ch. Links, 2003. S. 192-208.