CARL PETERS UND HANNOVER

In keiner anderen deutschen Stadt gibt es so viele Erinnerungsorte für Carl Peters wie in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover.1 Dabei wohnte er lediglich für einige Monate dort. Peters‘ wichtigste Verbindung zur Stadt war seine Freundschaft zum langjährigen Oberstadtdirektor Heinrich Tramm. Dieser organisierte gemeinsam mit Peters‘ Familie und einigen Freunden aus der Kolonialbewegung die Ehrungen. So wurde 1916 ein bis dato namenloser Platz in der Südstadt Hannovers nach dem bereits im Deutschen Reich umstrittenen und 1897 entlassenen Reichskommissar für Deutsch-Ostafrika benannt. Weitere städtische Ehrungen folgten in Form eines Ehrengrabes auf dem Stadtfriedhof Engesohde nach Peters‘ Tod im September 1918. Das Grabmal diente ab 1928 als Sammlungspunkt kolonialrevisionistischer Kreise, nachdem – wiederum auf Initiative Tramms – die Grabstätte einen entsprechend repräsentativen Grabstein erhalten hatte.

Höhepunkt der posthumen Ehrungen stellte das am 27. Oktober 1935 auf dem Carl-Peters-Platz eingeweihte Denkmal dar, finanziert durch die Stadt, den Reichskolonialbund sowie die Deutsche Kolonialgesellschaft. Zur Einweihung des Denkmals organisierte die Stadt Hannover eine ‚Reichskolonialkundgebung‘. Mitglieder des Kolonialbundes marschierten hier gemeinsam mit Vertretern und Vertreterinnen der Wehrmacht, des Kyffhäuserbundes, SA, SS, Polizei, Hitlerjugend und BDM gemeinsam.

 

 

Neben dem hannoverschen Bürgermeister Arthur Menge war unter anderem auch der letzte Gouverneur Deutsch-Ostafrikas, Heinrich Schnee, anwesend. Die Weiherede hielt am 27. Oktober 1935 kein anderer als der Leiter des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP, Franz Xaver Ritter von Epp, der dazu aufrief, dass die Erinnerung an Peters die deutschen Kolonialbestrebungen wiedererwecken solle.2

Ähnlich verwies auch der hannoversche Ortsverband des Reichskolonialbundes auf die Intention des Denkmals. In seiner Ankündigung der „Ehrenfeier“ heißt es: „Sorgen wir dafür, daß auch die Carl-Peters-Gedächtnisfeier in Hannover der Welt die Notwendigkeit deutschen Kolonialbesitzes vor Augen führt.“3

Der Appell, der in Kolonialfragen eher gleichgültig gestimmte Deutsche für neue Eroberungen begeistern sollte, findet sich in der Ikonografie des Denkmals selbst wieder, das von dem Bildhauer Ulfert Jansen geschaffen wurde. Auf der Frontseite zeigt dieses unter dem Namenszug ‚CARL PETERS‘ „Afrika als ‚weißen Flecken‘, dessen (scheinbare) Leere und Unberührtheit die Begehrlichkeit des darüber schwebenden (deutschen Reichs-) Adlers nach alten Kolonien weckt.“4 Auf der mittlerweile verwitterten rechten Schmalseite ist das Profil Peters‘ zu sehen, unter dem folgende Widmung steht:

»Dem großen Niedersachsen Carl Peters der Deutsch-Ostafrika für uns erwarb.«

Für diejenigen, welche die Intention der Denkmalsetzung noch nicht verstanden hatten, beschrieb sie der "Hannoversche Anzeiger" am Tag nach der Einweihung: Der Wunsch sei, dass der „deutsche Aar seine Schwingen kraftvoll über unsere afrikanischen Besitzungen breiten und sie schütze solle.“ Über Peters heißt es im Text: „Gott möge dem Führer einen zweiten Carl Peters schenken.“5

Hierbei ist von einer bewussten Instrumentalisierung der Person Carl Peters‘ durch die Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen auszugehen. Peters, ein Mann, den die wissenschaftliche Forschung als einen „erfolgsarmen, gerichtsnotorisch kriminellen Psychopathen“6 beschreibt, wurde im Nationalsozialismus als nationaler Held und als Symbolfigur deutscher Kolonialbestrebungen wiederentdeckt, dessen nationalistische und rassistische Anschauungen darüber hinaus als Vorläufer einer nationalsozialistischen Ideologie vereinnahmt werden konnten.7 In diesem ideologischen Kontext muss die Denkmalerrichtung für Peters gesehen und reflektiert werden. In den Quellen finden sich keine Hinweise darauf, warum die Stadt Hannover gerade Carl Peters so viel Ehre zukommen ließ. Der Anstoß dazu ging wohl von einer privaten Initiative Tramms und anderen aus. Allerdings gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich die Stadt Hannover gegen eine Erinnerungskultur und Symbolisierung der Person Carl Peters aussprach. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass Hannover im Dritten Reich die Person Peters‘ für sich vereinnahmen wollte. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass Hannover vom Reichskolonialbund immer wieder als Heimatstadt Peters‘ genannt wird, obwohl dies das Elbstädtchen Neuhaus in der Nähe von Lüneburg war. Die Stadt Hannover förderte diesen Mythos und unternahm auch nach 1945 wenig, um ihn kritisch zu hinterfragen.

Erst Mitte der Achtziger Jahre nahm sich das Friedensforum Südstadt, ein lockerer Zusammenschluss aus politischen, kirchlichen und friedensinteressierten Gruppen, zusammen mit der SPD-Fraktion im Bezirksrat Südstadt-Bult, des Themas an und forderte eine kritische öffentliche Auseinandersetzung in Hannover. Gemeinsam unterstützten sie 1985 einen von der SPD-Fraktion im Bezirksrat Südstadt-Bult eingebrachten Antrag, das Denkmal mit einer Mahntafel zu ergänzen. Am 50. Jahrestag der Denkmaleinweihung sollte bewusst ein Zeichen gesetzt werden, um die nationalsozialistische Ehrung Peters‘ ebenso zu hinterfragen wie dessen selbstherrliches und rassistisches Vorgehen. Auch wollte das Friedensforum zu einer kritischen, zeitgemäßen Auseinandersetzung über die deutsche Kolonialgeschichte in Vergangenheit und Gegenwart anregen.

Nachdem dieser Antrag aber durch die CDU-Mehrheit im Bezirksrat mit der Begründung abgelehnt wurde, dass man keiner „banalen Belehrung“ bedürfe und es in der Bundesrepublik keine Kolonialgedanken mehr gebe,8 dauerte es drei weitere Jahre, bis am 30. Juni 1988 durch Oberbürgermeister Schmalstieg die „Mahntafel gegen den Kolonialismus“ angebracht wurde:  

„Dieses Denkmal wurde im Jahre 1935 von den Nationalsozialisten errichtet: Es stand für: Verherrlichung des Kolonialismus und des Herrenmenschentums. Uns aber ist es eine Mahnung, der Charta der Menschenrechte entsprechend uns einzusetzen für die Gleichberechtigung aller Menschen, Völker und Rassen.“

Bis zu Umbenennung des Platzes sollte es aber noch sechs weitere Jahre dauern. Erst seit 1994 trägt er den Namen der Friedensnobelpreisträgerin Bertha-von-Suttner.

Ob die ‚Mahntafel gegen den Kolonialismus‘ tatsächlich eine Auseinandersetzung mit Carl Peters und seinen kolonialen Netzwerken in Hannover befördert hat, ist zweifelhaft. Deshalb steht das gesamte Denkmal heute erneut in der Kritik. Im Juni 2020 forderten Black-Lives-Matter-Aktivist:innen den Abbau des Denkmals. Stattdessen soll nach ihrer Meinung ein Mahnmal errichtet werden, das an die Opfer des Kolonialismus erinnert.9 Die Debatte über den Abriss verläuft seitdem ähnlich kontrovers wie die Diskussionen um die Mahntafel in den 1980er Jahren. 

von Felix Schürmann und Inga-Dorothee Rost

Dieser Text entstand in den Jahren 2003/2004. Im Zuge der Neugestaltung der Webseite wurde er 2021/2022 von von Malin Kleuker und Jana Otto überarbeitet und aktualisiert. In diesem Text wird im Gegensatz zu anderen Artikeln der Webseite bei Bezugnahme auf historische Zusammenhänge nicht mit dem Binnen-Doppelpunkt gegendert.


1 Ab den 1920er Jahren schrieb sich Peters‘ Vorname mit „K“. Wir nutzen in allen Beiträgen die Schreibweise mit „C“. Eine Ausnahme bilden Eigennamen, bei denen sich eine andere Schreibweise etabliert hat, wie etwa im Falle des „Karl-Peters-Platzes“.
2 Vgl. Zeller, Joachim (2000): Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur. Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1999. Frankfurt a. M.: IKO Verl. für Interkulturelle Kommunikation. S. 166. 
3 Reichskolonialbund, Ortsverband Hannover, an die Verbände des Reichskolonialbundes und deren Mitglieder. 2.10.1935. Nds. Landesarchiv, Hann 152 Acc 53/84, Nr. 9.
4 Zeller: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein, S. 166.
5 Bekenntnis zum kolonialen Willen. Einweihung des Carl-Peters-Denkmals - Ansprachen des Generals v. Epp und des Gouverneurs Schnee (1935). In: Hannoversche Anzeiger, 28.10.1935 (253a), S. 2.
6 Helmut Bley zitiert in: Hannoversche Allgemeine Zeitung, Stadtteilzeitung Süd, 16.05.1991.[noch nicht gesichtet].
7 Vgl. Zeller: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein, S. 165.
8 Hannoversche Allgemeine Zeitung, Stadtteilzeitung Süd, 26.09.1985, die Helmut Kirsebauer (CDU) zitiert.
9 https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Black-Lives-Matter-will-Kolonial-Denkmaeler-in-Hannover-loswerden


Quellen und Links

Printquellen:

Bekenntnis zum kolonialen Willen. Einweihung des Carl-Peters-Denkmals - Ansprachen des Generals v. Epp und des Gouverneurs Schnee (1935). In: Hannoversche Anzeiger, 28.10.1935 (253a), S. 2. Niedersächsisches Landesarchiv (02.10.1935): Reichskolonialbund, Ortsverband Hannover, an die Verbände des Reichskolonialbundes und deren Mitglieder. Niedersächsisches Landesarchiv, Hann 152 Acc 53/84, Nr. 9.

Zeller, Joachim (2000): Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur. Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1999. Frankfurt a. M.: IKO Verl. für Interkulturelle Kommunikation.

 

Links:

https://spd-suedstadt-bult.de/bertha-von-suttner-platz

https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Black-Lives-Matter-will-Kolonial-Denkmaeler-in-Hannover-loswerden